Süddeutsche Zeitung, 30. Juli 2004

Multimediales Liebeserlebnis
Augusta und Kalle Laar laden zum "radiophonic workshop for lovers"

Ausdruck unserer Gegenwart ist zweifellos unter anderem die interdisziplinäre Ausrichtung der Kunst, auch wenn sie sich aufgrund der inhaltlichen Vielschichtigkeit schon mal der Fassbarkeit entzieht. Doch nicht immer liegt dies am künstlerischen Werk, sondern ebenso an der Herangehensweise der Rezipienten, die häufig Mühe haben, sich vom traditionellen Zugriff zu trennen. Was Augusta und Kalle Laar aus Krailling unter dem Namen "Kunst oder Unfall" kreieren, fand daher auch am Mittwochabend im Gautinger Schlosscafe Fußberg nur wenige Zuhörer und Zuschauer, die sich dem Abenteuer Klang und Bild stellen wollten.

Mit dem Titel deuteten schon die quer durch nahezu alle Genres agierenden Künstler an, worum es hier gehen sollte: "radiophonic workshop #1 (for lovers)". Kein exakt auskomponiertes Werk also, sondern work in progress, dessen Manifestation aus vorbereitetem Material improvisatorisch zu einer multimedialen Collage arrangiert werden sollte. Und dass es dabei um Liebe ging, war nicht etwa vordergründig in pastelltonigen Bildern zu sehen sondern süßlichen Melodien zu hören. Die Thematik war vielmehr aus empfundenen Nachbildern und Emotionen nachvollziehbar, die sich aus Wort-Konstellationen und ihren klanglichen Verarbeitungen zusammen mit musikalischen Elementen, projizierten spontanen Zeichnungen über einer Videoprojektion suggestiv ergaben. Und dies genauso wenig um das Idealbild eines Liebes-Taumels kreisend, als vielmehr alle Facetten der nicht idealisierten Liebe durchwandernd.

Der Kontrast zwischen konkreten und spontan-improvisatorischen Elementen sorgte hier für ein Spannungsfeld, indem es möglich wurde, sich von den einzelnen Medien zu lösen, um der Gesamtwirkung folgen zu können. Die Lyrik von Augusta Laar, die nicht erzählte, sondern aus rhythmisch und melodisch angereihten Wörtern und Phrasen in Deutsch, Französisch und Englisch fast visionär eine Empfindung erzeugte, ging in Klangassoziationen von Kalle Laar als musikalisches Material auf: "Es ist kalt hier - Wer hört mich - Du erfrierst" oder "Atem news - der Weg zum Ruhm - Sonate 1 geschminkt - the heart of darkress - it was a pleasure - to meet you".

Der Lauf d es Lebens

Klänge und Geräusche - teils fremd, teils vertraut - webten die Sprache ein, setzten durch Repetition Akzente oder unterlegten ihr einen Rhythmus. Der zeitliche Ablauf fand dabei in der Videoprojektion statt: Ein Fluss, unaufhaltsam wie der Lauf des Lebens. Dabei eine einzige Kameraeinstellung, "interessant uninteressant2, wie Kalle Laar seine Neigung zum Minimalismus umreißt. Darüber erschien projiziert Bilddichtung von Augusta Laar, in der Worte vergleichbar zur Musikalität des Gesprochenen nun als graphische Elemente die Bildkompositionen mitformten - etwa "Simplify your life" oder "colour opposite be" als reine Wortstruktur oder auch in fahrigen Liniengefügen eingebunden. Hier schloss sich der Kreis, in dem die Elemente immer wieder aufeinander verweisend ein anregendes Hör- und Seherlebnis formten.

REINHARD PALMER