Süddeutsche Zeitung, 8.3.2003
Augusta Laar und ihr Projekt Madonna sagt ...
Pop-Art und Poesie, passend auf Postkarten. Die Antworten sind bunt und international, und die Anfrage steigt ständig.
Bei uns, sagt sie, ist irgendwie alles international. Mein Mann ist halb Este, halb Lette und hat als Klangkünstler und Experimentalmusiker häufig Installationen im Ausland. Ich bin halb Schweizerin, halb Deutsche und bekomme durch mein Projekt Madonna sagt... seit Jahren ständig Post aus allen Kontinenten.
Augusta Laar, 1955 im niederbayerischen Eggenfelden geboren, in Krailling aufgewachsen und im Kurt-Huber-Gymnasium zur Schule gegangen, hat Musik studiert und gibt Klavierunterricht für Kinder. Sie liebt diese Aufgabe. Dennoch ist das eher ihr Alltag.
Aufgebaut auf dem Deckel des Flügels, der im Wohnzimmer von Augusta und Kalle Laar seinen Platz hat, stehen mit Glasplatten abgedeckte hölzerne Objektkästen, in denen sich ungewöhnliche Schätze befinden, bemalte, bestickte, beschriebene, collagierte Postkarten. Auch in den Schubladen und auf der Platte eines Schreibschränkchens haben sich Stöße solcher Postkarten angesammelt. Postkarten als Pop Art-Objekte und sogar als Kristallisationskerne eines "poetischen Kommunikationsprojektes", ausgesandt von Krailling und dorthin zurückkehrend wie die Brieftauben? Das muss man sich erst einmal erklären lassen.
Es war im Jahr 1995, als Augusta Laar in einer Kneipe eine Karte entdeckte, auf der eine kitschige Madonnenfigur zu sehen war. Zu gleicher Zeit hatte sie einen Traum, in dem dies Madonna sagt... vorkam, das dann dem Projekt den Namen gegeben hat. Spontan war die Idee geboren und neun Geburtshelfer gefunden. Per Post bekamen sie eine solche Karte mit einem Madonnenbild, auf deren Rückseite Augusta Laar Gedichtzeilen geschrieben hatte. Bemalt und beschrieben kamen die Karten zurück. Heute, nachdem sie rund 600 Karten in alle Welt verschickt hat, ist ihr Fundus auf 250 Karten aus 15 Ländern angewachsen, ab 1998 gab es erste Ausstellungen, so in der Schule für Dichtung In Wien wie im Diözesan-Museum Limburg. Und es stehen Weitere bevor, darunter im Diözesan-Museum Freising und im Goethe-Institut im brasilianischen Salvador da Bahia.
Für das Projekt Poesie und Pop, das der Lyrik-Verleger Anton G. Leitner aus Weßling gemeinsam mit Augusta Laar für die Mai-Ausgabe seiner Publikation Das Gedicht vorbereitet, tröpfeln zur Zeit die ersten Antworten ein. 30 Gedichte auf Madonnen-Karten gingen an 30 Dichter von Friederike Mayröcker bis Durs Grünbein. Jeweils neu eingetroffene Karten kann man sich auf der Internet-Seite www.poeticarts.de/madonna anschauen.
Wer international arbeitet, muss mehrsprachig sein. Sehr bald vermischten sich in den oft an Dada-Zeiten erinnernden Gedichtzeilen auf den Karten die Sprachen. Eins konnte so gehen:
No fin no muerte / I sing for free / on the telephone. Oder so: beat code universe / la ultima diva found on E-Bay sticky, sticky feat. You, me & us. Oder so: wild weiden am / Flaum deiner Sätze alles / auf Rot play time Abschied / la nuit.
Nicht wenige Arbeiten, die zurückkommen, sind kleine Kunstwerke, so eine mit winzigen Perlchen nachgestickte Madonna, eine Mandorla aus feiner Gaze, die um die Figur gezogen ist und auf der Rückseite ein auf weißen Stoff geschriebener Text, ein Objektkasten aus Südamerika, in dem die Madonna frei auf einem nach oben stehenden Drähtchen schwebt, eingebettet in Papierbögen, die an den Rändern angesengt sind. Maria hat in den Herzen der Menschen so viele Gesichter, sagt Augusta Laar, das ist es, was mich interessiert und was sich an den Karten ablesen lässt.
Ausschnitte aus Fotos und Zeitungsbildern sind häufig um die Madonna geklebt, so dass doppelbödige Szenerien zwischen Alltag und Frömmigkeit entstehen. Vor allem aus Südamerika, wo Maria oft noch als archaische Muttergöttin gesehen werde, kämen sehr interessante Karten. Augusta Laar selbst hat aus einem Voodoo-Lädchen in Los Angeles eigene Fotos von der wilden Mischung dort mitgebracht: Madonnenfiguren inmitten allerlei Zauberzeug.
Beteiligt sind meist Menschen aus dem Kunstbereich, nicht wenige mit bekannten Namen: Maler, Bildhauer, Pop-Künstler, Musiker, Professoren an Kunsthochschulen. Der Kreis weitet sich ständig und die Anfragen nach einer Karte mehren sich. Augusta Laar bekennt, dass sie sich als tief gläubig sieht und dass es ihr sehr viel bedeutet, ihr Madonna sagt... auszusenden und die oft sehr berührenden Repliken in Empfang zu nehmen. Doch langsam wächst ein Finanzproblem heran. Für das geplante Buch, das noch heuer erscheinen sollte, braucht sie dringend Sponsoren. Da kann sie jetzt nur noch auf gute Fügungen des Himmels warten.
Ingrid Zimmermann