Die in München und Wien lebende Augusta Laar ist Künstlerin, Dichterin und Musikerin.
In der vertieften Beschäftigung mit Musik durch das Studium beginnt ihre künstlerische Laufbahn, die Zäsuren des Lebens eröffneten jedoch eine bemerkenswerte Erweiterung ihres Schaffens, wie wir heute über Augusta Laar lesen und hören. Sie ist experimentelle Lyrikerin, Musikerin, Sprach- und Tonkünstlerin, Fotografin, Spurensucherin, stets auf Entdeckungsreise.
Augusta Laars Interesse liegt im offenbar Unscheinbaren, Abgeschobenen, in Begebenheiten am Rande der jeweiligen Kulturen. Sie sucht nach den Zeichen, der dort vorzufindenden Harmonie, der Sprache der Kontraste, der Ästhetik im Verborgenen.
Dazu setzt sie das Medium der Fotografie ein. Mit einer Pocket-Kamera erobert Augusta Laar den ehemaligen Palast der Republik.
Sie werden sagen, dies ist ja geradezu ein Mittelpunkt deutscher Geschichte. Jedoch nicht die klassische Ansicht vor dem Fernsehturm in guter Erinnerung an die alte Deutsche Demokratische Republik steht da im Mittelpunkt. Vielmehr tritt die Künstlerin in das verfallende, für den Abriss bestimmte Gebäude ein, geht den Spuren dieser Ruine nach, will Auffälliges und doch vielfach nicht Beachtetes auffinden. Sie bezeugt mit ihrem Fotoapparat den Ort, indem sie dessen Umgebung als Hintergrund des Bildes geschickt einfängt, das Reichstagsgebäude, den Berliner Dom, die Ausläufer der Museumsinsel.
Freilich präsentieren sich jene nicht in Hochglanzperspektive, sondern sind durch eine verschmutzte Scheibe eines mächtigen Fensters des Palastes der Republik auszumachen. Spuren, Zeichen wurden durch Gruppen, Personen im Schmutzfilm der Fensterscheibe hinterlassen. Diese stehen in scharfer Einstellung im Vordergrund, während die Gebäude des Hintergrundes verschwommen durch das milchige Glas und die Einstellung der Kamera dargestellt sind.
So wie sich die Künstlerin der intuitiven Kombination der Worte und der Töne hingibt, so sieht sie mit ihrer Kamera die Schönheit im Verborgenen, Ungewohnten und Unerwarteten, erhebt diese Realität zum Thema, das zum Verweilen, Nachsinnen auffordert, um gerade an diesen Orten dichterische Spuren im Klang und in der Harmonie der Zeichen und Worte nachzuempfinden. Flüchtiges wird bleibend in den Fotografien und Objekten.
Oft nur schnell Beobachtetes wird aber auch zum Symbol für eine Kultur und für einen Teilbereich einer Gesellschaft erhoben. Der Blick in mexikanische Apotheken zum Beispiel offenbart eine willkürliche Kombination von einfachen Heiligenfiguren, Packungen und Behältnissen von Pulvern, Drogen, Arzneien und vielem mehr in teils dicht gedrängter Anordnung.
Und doch sind in dieser scheinbar wahllosen Präsentation Ausgewogenheit und Ordnung - Augusta Laar hilft mit ihrer Kamera dem Betrachter diese Elemente der Kunst im Ausschnitt zu erkennen, gleichzeitig die Chiffren zu lesen, zu kombinieren, Rückbezüge zum Denken des Volkes ziehen zu können. Dem fast schon als schäbig zu Bezeichnenden haftet durch die Fotoausschnitte Würde an, ein dichterisches Empfinden zum Betrachten und freien Kombinationsspiel.
Augusta Laars Fotografien sind nicht inszeniert, sondern aus dem Gesehenen behutsam und einfühlsam zusammengestellt, aufgesammelt, mit dem Auge der Kamera gleichsam bewahrt. Der Betrachter, der Leser ist berührt und ergriffen von all den Elementen, Arrangements, die so nicht im Mittelpunkt von Gesellschaft und Leben stehen, denen man eher zufällig am Wegesrand flüchtig begegnet, die man gewiss so abtun und übersehen würde.
Diese Freude, ungewöhnlich Zusammengefügtes zu entdecken, ist jedoch nicht auf die Fotografie beschränkt, sie manifestiert sich ebenso in Krippen und Installationen.
Die historisch verankerte Krippe ist bislang mit religiös-biblischem Geschehen um die Weihnachts- und Osterzeit verbunden. Augusta Laars Ideenwelt nutzt den Rahmen um darin frei empfunden und zusammengestellt die Welt der Barbies und des Ken samt all dem gleichzeitig angebotenen Spielzeug phantasiereich und bunt zu präsentieren. Die Puppen sind gewiss nicht im Sinne der Anbieter oder der historischen Analyse gestylt. Sie treten unabhängig von ihrer ehemaligen Spielzeugwelt auf - so ideenreich in eine anders geartete Welt führend, die durch eine eigenwillige Schönheit und Anziehung überrascht.
Die Puppe in den Krippen - oftmals achtlos weggeworfen, auf die Seite geschoben, nun aber in ein unerwartetes Klang- und Kombinationsbild gerückt, gleichsam zu einem neuen Leben erweckt und zu erstaunlicher Ästhetik gebracht.
Neben dem manchmal langwierigen Kompositionsvorgang ihrer Gedichte überlässt Augusta Laar zuweilen in ihrem sprachlich-poetischen Schöpfungsprozess die Wahl der Worte ihrem Klang, ihrem zufälligen Auftreten. Diese Erfahrung und Vorgehensweise überträgt die Künstlerin in das konkrete künstlerische Schaffen, in Fotografie und Installation. Das Verletzte und Vergessene, das Ungeliebte und Verworfene, das in Schrift oft schnell Gesetzte wird im Kunstwerk einbezogen, präsentiert, so aus dem Vergessen herausgeholt in eine neu erfundene Welt voll herber Schönheit und voll Staunen.
Nun für Augusta Laar sind unerwartete Bezüge, Anregungen zum Nachdenken, poetisch erscheinende, zufällige Kombinationen in der Fotografie, in Installationen, in Schöpfungen mit Wort und Ton ein inniges, der Seele verbundenes Anliegen.
So wie die Künstlerin Worte, gar Silben, zufällig, dem Klang nach zusammenfügt, dichterisch kombiniert, so gelingt es ihr auch im unterschiedlichsten Ambiente der Welt aus fast schon vergessen oder verlassen Geglaubtem eine erfrischende, frappierende Kombination durch Fotografieren oder durch eine Installation herauszuarbeiten und in eine eigene Dynamik, eine typische Aktivität zu überführen.
Der dadaistische Dichter Takiguchi Shuzo drückte dies einst so aus:
"Poetry is not belief. It is not logic. It is action."
Und gleichzeitig verbindet Augusta Laar mit ihrer Poesie und ihren Kunstwerken eine sehr empfindsame Seelentiefe.
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